Man kann (den Duft von Weisser) Trüffel mögen oder nicht. Die knollig-geschwulstigen Fruchtkörper (tuber), die man vorzugsweise unter Laubbäumen in Symbiose mit dem Feinwurzelsystem dieser Bäume lebend findet, gehören zu den teuersten Pilzen der Welt. Bei der Weissen Trüffel (tuber magnatum pico) beispielsweise fängt der Spass bei einem Kilopreis von 3'000 Euro an. Das von den Trüffeln verströmte Aroma sichert die Erhaltung ihrer Art. Es lockt Tiere an, welche die Knollen ausgraben und verzehren und so für eine Verteilung der Pilzsporen sorgen.
Auch die gut betuchte Gesellschaft isst Trüffel. Die Nachfrage ist grösser als das Angebot. Trüffelsuchhunde wie der Lagotto Romagnolo betreiben heute Höchstarbeit, damit Sternerestaurants rund um den Globus mit den duftenden Knollen bedient werden können. Viele Menschen, die Trüffel essen, allerdings bestellen (zur entsprechenden Jahreszeit) beim Italiener oder im Fine-Food-Restaurant Trüffel, weil es zum guten Ton gehört, nicht weil sie den Duft der edlen Knollen besonders lieben. Es sind dies mutmasslich die gleichen Menschen, die auch gerne den Wein nach Etikett auslesen.
Die kulinarische und preisliche Tieffliegerversion - das "Trüffelöl"
Nun, die günstigste Form an trüffelähnlichen Duft und Geschmack zu kommen, ist es, wenn man sich des "Trüffelöls" bedient. Bei Migros kostet ein Viertelliter davon gerade mal CHF 7.40. Monini, der hierzulande bestens bekannte italienische Grossabfüller, beliefert den orangen Riesen vom Zürcher Limmatplatz mit der streng riechenden Flüssigkeit - und einer Reihe weiterer "aromatisierter" Öle. Wer sich keine teure Waldknolle leisten will oder kann, schüttet etwas von dieser öligen Sache über seine Pizza und schlemmt im Glauben an die echte Alba-Trüffel. Glauben und Denken ist nicht verboten, egal, was man glaubt und denkt, sei es noch so absurd. Die Anpreisung - die einer Handlung entspricht - von Lebensmitteln mit Attributen, die nicht der Tatsache entsprechen, ist aber nicht legal.
CONDIMENTO AROMATIZZATO TARTUFO BIANCO A BASE DI OLIO EXTRA VERGINE DI OLIVA heisst das Produkt der Begierde. Wahrnehmen tut der Durchschnittsadressat vor allem die Wörter TARTUFO BIANCO und OLIO EXTRA VERGINE DI OLIVA, da diese typografisch hervorgehoben sind und einem sofort ins Auge springen. Dass der Inhalt dieses kleinen Glasgefässes allerdings weder das Eine noch das Andere ist, was prominent auf dem Vorderetikett in fetten Lettern steht, zeigt sich, wenn man das Fläschchen umdreht und auf dem Rücketikett die Zutatenliste durchliest.
Da steht:
Zutaten: Olivenöl extra vergine (98.5%), Aroma (1.4%), natürliches Aroma aus Weissem Trüffel (tuber magnatum pico) (0.03%).
Das Produkt ist aus meiner Sicht falsch gekennzeichnet. Die (typo)grafische Darstellung lässt den Durchschnittsadressaten glauben, es handle sich beim Produkt um ein Natives Olivenöl Extra mit Weisser Trüffel (tuber magnatum pico). Es handelt sich beim vorliegenden Produkt allerdings nicht um ein natives Olivenöl extra, sondern lediglich um ein Würzmittel auf der Basis von nativem Olivenöl extra. Das ist etwas ganz anderes. Wir wissen, dass natives Olivenöl extra als solches mit der Sachbezeichnung gekennzeichnet eine Reihe von chemischen und sensorischen Standards einhalten muss. Ist das native Olivenöl extra aber einmal aromatisiert, mit was auch immer, sei es Zitrone, Rosmarin, Chili oder irgendeinem synthetisch hergestellten Aroma, lassen sich die Qualitäts- und Reinheitsparameter, die für natives Olivenöl extra gelten, nur noch teilweise feststellen. Eine sensorische Beurteilung eines "Chili-Öls" nach geltendem Olivenölgesetz wäre nämlich unmöglich.
Wo sind die Weissen Trüffeln?
Das vorliegende Monini-Produkt, das sich als Tartufo Bianco-Produkt ausgibt, so die Zutatenliste, beinhaltet lediglich 0.03 % natürliches Aroma von Weisser Trüffel, was auf die Viertelliterflasche, in der das Produkt dargereicht wird, umgerechnet lediglich 0.075 Milliliter ergibt. Dieser sehr geringe Mengenanteil ist nicht von wesentlicher Bedeutung für die Charakterisierung dieses Lebensmittels (Art. 12 Abs. 1 lit. d LIV 817.022.16), zumal 1.4% des Masseanteils aus synthetischem Trüffelaroma, gewonnen aus Flüssiggas, besteht. Mit Weisser Trüffel hat das Monini-Öl also nicht viel am Hut. Trotzdem stellt es die Migros so in ihre Regale.
Der Anteil an nativem Olivenöl extra, so die Zutatenliste, beträgt 98.57 %. Demnach müsste gemäss Art. 16 Abs. 1 lit. a LIV 817.022.16 die Herkunft des nativen Olivenöls extra angegeben werden.
Die (typo)grafische Darstellung / die Kennzeichnung dieses Produktes birgt meiner Ansicht nach grosses Täuschungspotenzial, denn es handelt sich beim Produkt weder um ein natives Olivenöl extra noch beinhaltet das Produkt einen wesentlichen Anteil an Weisser Trüffel.
Nach meiner Auffassung könnte eine rechtsgültige Bezeichnung des Produktes
"Würzmittel auf der Basis von nativem Olivenöl extra mit Aroma nach Weisser Trüffel" sein.
Gutes "Trüffelöl" habe ich übrigens noch nie probieren können. Ich vermute, es gibt schlicht keine. Die allermeisten sind aus altem Olivenöl hergestellt. So lassen sich Überbestände aus den Vorjahren oder besonders minderwertige Qualitäten gut in den Markt einschleusen. Der im Jahr 2018 verstorbene Anthony Bourdain sagte einmal: «Es ist nicht einmal ein Lebensmittel. Es ist aus dem selben Zeug gemacht wie Gleitgel.» Der chemische Kampfstoff Senfgas, Bis(2-chlorethyl)sulfid, ist übrigens derselben Stoffgruppe zuzuordnen, wie das aus Flüssiggas gewonnene Bis(methylthio)methan, welches im Trüffelöl für den Trüffelgestank sorgt.
Egal, wie man es dreht und wendet, mag man Trüffel, soll man sie in naturreiner Form geniessen. Beim Lieblingsitaliener oder im Sterne-Restaurant. Ich tendiere zum Lieblingsitaliener, dort gibt es etwas mehr fürs Geld. Man darf übrigens ruhig nachfragen, woher die Trüffeln stammen, wann sie geerntet und angeliefert wurden. Das gute Haus wird Ihnen gerne Auskunft darüber geben.
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